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  • AutorenbildKristof Reuther

Evakuierungs-fischen aufgrund lang anhaltender Trockenperiode

Im Normalfall ist ein „Evakuierungsfischen“ ein mittlerweile vorgeschriebener Vorgang im Zuge eines Bauvorhabens in einem Fließgewässer. So wird bei Revitalisierungsmaßnahmen (z.B. Wehrrückbau) oder einer Baumaßnahme mit Auswirkung auf das Gewässer auf einer festgelegten Strecke ober- und unterhalb der Baustelle eine Abfischung mittels Elektrofischereigeräten durchgeführt. Über eine Kathode und Anode wird unter Wasser ein elektrisches Feld erzeugt, welcher Lebewesen, insbesondere Fische, die sich in diesem aufhalten, kurzzeitig in eine Elektronarkose bringt. Dadurch kann man sie schonend Keschern, mit großen Eimern transportieren und sie an einem ruhigen und sicheren Gewässerbereich aussetzen.


2018 musste an vielen Gewässern in Deutschland ein Evakuierungsfischen aufgrund eines anderen Grunds durchgeführt werden. Die lang anhaltende Trockenperiode machte nicht nur den Landwirten zu schaffen. Örtlich wurde teilweise wochenlang kein Niederschlag registriert. Dazu kam ein extrem heißer Sommer. In Mitteldeutschland waren es bis Ende August im Durchschnitt circa 65 Sommertage (25 Grad und mehr) und 30 heiße Tage (30 Grad und mehr). Dies führte zu einem extremen Temperaturanstieg der Gewässer. Im Rhein betrug die Wassertemperatur Anfang August 28 Grad. Für die meisten Fische ist dieser Wert zu hoch und über einen längeren Zeitraum tödlich. Durch Staustufen wird die Fließgeschwindigkeit reduziert und durch fehlenden Uferbewuchs erwärmt die Sonne das Gewässer den ganzen Tag. Viele weitere Faktoren sorgen dafür, dass sich unsere Gewässer unnatürlich erwärmen. Daraus resultiert ein Sauerstoffmangel im Gewässer. Die Fische müssen in solch Trocken- und Hitzeperioden viele Tage am Rande ihres Toleranzbereiches aushalten, wodurch sie einem hohen Stresslevel ausgesetzt sind. Die Folgen: Hoher Energieverbrauch, Anfälligkeiten für Krankheiten und im schlimmsten Fall der Tod.


In Extremsituationen ist es wichtig, jeglichen vermeidbaren Stress für die Fische zu vermeiden, da sie dadurch einen erhöhten Sauerstoffbedarf haben, welcher nicht gedeckt werden kann. Dazu gehören badende Hunde, Spielen im Wasser, aber unter anderem auch das Angeln.

Was in Flüsse durch die großen Wassermengen teilweise noch aufgefangen werden kann, ist in vielen kleinen Fließgewässern nicht möglich. Wenn der kleine Dorfbach trocken fällt, ist das Todesurteil der Wasserlebewesen gesprochen. Auch in meiner Heimat war es Anfang August soweit und wir mussten notfallmäßig Fische und andere Lebewesen evakuieren. Der kleine Bach hatte bereits kein fließendes Wasser mehr und in den letzten verbliebenden Pfützen kochte wortwörtlich das Wasser. Nicht nur wegen der hohen Wassertemperaturen, sondern auch aufgrund des Platzmangels. Allein aus drei Restwasserlöchern (je ca. 2 m²) konnten wir zu dritt knapp 300 Fische, darunter Elritzen, Stichlinge, Schmerlen und Bachforellen retten. Dazu kamen Bachflohkrebse, Wasserskorpione und andere Makrozoobenthos-Arten.


Viele der Pfützen waren bereits so flach, dass die Fische auf der Seite lagen, verzweifelt nach Sauerstoff schnappten und nur noch halb mit Wasser bedeckt waren. Diese Stellen sind nur noch mit einem Aquarienkescher abzufischen. Größere Gumpen, welche noch tieferes Wasser führen und Unterstände beherbergen, werden mittels Elektrogeräten abgefischt. Auch wenn dies zusätzlichen Stress für die ohnehin schon stark geschwächten Organismen bedeutet, ist es die letzte Möglichkeit sie zu retten.

Mit Hilfe von Tonnen und Sauerstoffpumpen werden die geretteten Fische in Bereiche mit ausreichend Wasserführung gebracht und ausgesetzt. Dies ist zum Beispiel unterhalb von Grundwasserquellen oder – in diesem Fall sehr dankbar – Klärwerken der Fall. Das Ziel dieser Aktionen ist es, den autochthonen Stamm der jeweiligen Arten zu erhalten. Dies ist sehr wichtig, da die Fische, vor allem in solch kleinen Gewässern ohne Besatz, seit Jahrzehnten oder Jahrhunderten perfekt auf ihr Gewässer angepasst sind.

Vermutlich werden durch den Klimawandel Trocken- und Hitzeperioden häufiger auftreten, so dass über angepasste Maßnahmen (Reduzierung der kommerziellen und privaten Wasserentnahmen; Beschattung; Pausieren der Angelfischerei; etc) nachgedacht werden muss, um eine nachhaltige Bewirtschaftung zu erreichen.

Solche für unsere Gewässer enorm wichtigen Einsätze sind ohne die Unterstützung ehrenamtlicher Helfer und Mitglieder von Angelvereinen nicht zu stemmen. Im Namen aller Wasserorganismen: Danke!


Vielen Dank an Robin Hochgesand (@robin_fwp @connectingwater) für diesen Gastbeitrag!



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