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AutorenbildKristof Reuther

Ohne Besatz zum guten Wildfischbestand

Die Nesse ist ein kleiner Fluss im grünem Herzen Deutschlands. Ein typischer Flachlandfluss, mit weniger als 1,5 % Gefälle. Teils noch im natürlichen Flussbett, teils begradigt - kalte Quellen, die auch im heißesten Sommer für kühles Wasser sorgen, umgeben von einer intakten Vegetation. Mein Name ist Maximilian Schauties und ich habe die Ehre, hier Gewässerwart sein zu dürfen.


Was war denn mit der Nesse? Als ich vor 5 Jahren mein Amt antrat, fand ich die Nesse mit vielen und kleinen Forellen vor. Das erstaunliche dabei war, dass die Forellen fast alle ein Maß von 20 cm hatten und zu Hauf in den kleinsten Unterständen standen. Schnell wurde mir klar, dass hier etwas nicht stimmt. Das nächste Monitoring der Wasserrahmenrichtline (WRRL) bestätigte meinen Verdacht: Wir haben hier einen Überbestand!

Monitoring Ergebnis von 2016: 568 Fische auf 400 m gefangen; sehr gut ist auch zu erkennen, dass es bei 20 cm einen Einbruch der Größenverteilung gibt.


Jährlich wurden ca. 28.000 vorgestreckte Forellen auf 13 km Fließstrecke besetzt. Dazu kam noch die deutlich unterschätzte Reproduktionsrate. Wachstumsrate und maximale Größe von Fischen sind von genetischen, ökologischen und räumlichen Faktoren abhängig. Steht wenig Platz und Nahrung zur Verfügung, wird die Ausschüttung des Wachstumshormons Somatropin gebremst und die Fische bleiben klein. Es war ganz klar, der Forellenbesatz musste gestoppt werden.


Wie reagierten die Vereinsmitglieder? Als ich bei der nächsten Versammlung davon erzählte, brachen viele Diskussionen aus. Einige Vereinsmitglieder standen hinter mir; Andere gaben den Kormoranen die Schuld und wieder andere forderten, fangfähige Fische zu besetzen. Nach unzähligen Diskussionen und Beschimpfungen wurde mein Vorschlag am Ende akzeptiert und der Besatz noch im gleichen Jahr reduziert. Bemerkenswert war, dass sich das Fangergebnis im gleichen Jahr noch verbesserte. Im Folgejahr wurde der Besatz dann komplett eingestellt.


Schuppenanalysen bestätigten den Verdacht.

brown trout Fish scale analysis nachhaltig bewirtschaften

Nun gingen zwei Jahre ohne Besatz ins Land - von den Anglern bekam ich immer mehr positives Feedback. Also ging ich an die Nesse und schaute mir die Fische mal wieder genauer an. Ich fing mehre Fische, notierte mir die Größen und entnahm Primärschuppen unterhalb der Seitenlinie im Bereich zwischen Brust und Bauchflosse. Diese schaute ich mir dann daheim unter dem Mikroskop genauer an.


Alle Fische und Schuppen hatten drei Dinge gemeinsam:


1.Die Fische waren für ihr Alter deutlich zu klein. Da sich die Wassertemperatur durch die kalten Quellen kaum verändert, gibt es keine richtigen Annuli (Jahresringe) und das Alter kann nur geschätzt werden. 2. Die Circuli (Zuwachsringe) lagen sehr nah aneinander. Dies zeigt sehr gut das verlangsamte Wachstum. 3. In den letzten 1-2 Jahren hat sich der Abstand der Circuli vergrößert. Dies steht für ein verbessertes Wachstum.


Dahl-Lea Formel

Mit der sogenannten „Dahl-Lea Formel“ kann man das Jahreswachstums bei Salmoniden ermitteln. Mit Hilfe dieser Formel wurde das Wachstum berechnet. Es stellte sich heraus, dass das Wachstum im September 2018 noch bei ca. 3,3 cm lag. Im September 2019 lag das Jahreswachstum bereits bei 14,6 cm. (Kommentar: Ich vermute, dass das Wachstum erstmal durcheinander ist, da die Fische jahrelang ein Somatropinmangel hatten.)


Zur Berechnung des Wachstums benötigt man ein Mikroskop mit Messokular und den korrekten Eichwert des Objektivs.

Lf = Länge des Fisches in cm Ls = Gesamtlänge der Schuppe in mm An = Bereich Anuli bis Schuppenende













Wie entwickelte sich der Bestand?

Bei unserem nächsten Monitoring konnte man auch eine deutliche Verbesserung erkennen:

Monitoring von 2019: Hier ist zu sehen, dass der Fischbestand deutlich weniger worden ist; die Größenverteilung ist weiter gestreut und die Fische reproduzieren sich selbst.


2017 und 2018 wurde die Nesse von einigen Anglern gemieden („Wo keine Fische besetzt werden, können auch keine gefangen werden…“). Die Fangstatistiken sagen jedoch etwas anderes: Bei weniger Angeldruck wurden mehr Fische gefangen als mit Besatz.


Aber nicht nur der Fischbestand entwickelt sich besser, sondern auch das Makrozoobenthos. Zum ersten Mal seit vielen Jahren konnte man wieder einen Maifliegenschlupf beobachten, was auch bessere Nahrung für die Fische bedeutet. Ob dieses Phänomen rein auf die Änderung in der Bewirtschaftung zurückzuführen ist, bleibt natürlich offen. Den Fischen hat es jedoch sicherlich gefallen.


Gibt es weitere Maßnahmen? Um große Fische zu schützen und wieder eine natürliche Alterspyramide zu schaffen, nutzen wir seit 2018 ein Entnahmefenster von 30-40 cm. Alle Fische unter 30 cm und alle Fische über 40 cm müssen schonend zurückgesetzt werden. Ältere Regelungen wie das widerhakenlose Fischen und ein Limit von maximal 30 Befischungstagen an der Salmonidenstrecke, bleiben weiterhin bestehen. Um den Bestand dauerhaft zu sichern, sind strukturverbessernde Maßnahmen wie Kiesdepots und das Einbringen von Totholz geplant.

Fazit Es lässt sich nicht vermeiden an einigen Gewässern mit Besatz zu arbeiten. Man sollte aber nicht die Entwicklung des Bestandes aus den Augen verlieren, sonst kann der Besatz großen Schaden anrichten. Sofern die morphologischen Eigenschaften des Gewässers (Gibt es Unterstände, Laichplätze, Jungfischabitate etc.?) die Voraussetzungen der Fischarten erfüllen, ist es einen Versuch wert, den Besatz herunterzufahren oder ganz zu stoppen.

Vielen Vereinsmitgliedern hat dieser Versuch die Augen geöffnet und selbst die größten Kritiker stimmten bei der letzten Versammlung für das Entnahmefenster. Unser Gewässer wird nun nachhaltig bewirtschaftet; der Verein spart viel Geld, welches für andere Projekte zur Verfügung steht. Die Mitglieder fangen mehr Fisch und der Fisch ist qualitativ hochwertiger und optimal an das Gewässer angepasst.

Die Natur regelt die meisten Sachen von selbst; man muss nur Vertrauen ud Geduld haben.

Beste Grüße

Maximilian Schauties


Kommentar der Redaktion:

Vielen Dank an dieser Stelle an Max für diesen interessanten und motivierenden Gastbeitrag. Sollte ihr ebenfalls eine Geschichte haben, die ihr gerne mit anderen teilen möchtet, kontaktiert uns unter info@nachhaltig-bewirtschaften.de

Wir freuen uns auf weitere Gastbeiträge.

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